Immobiliengutachten – Wann braucht man eins?

Brauche ich ein Gutachten für meine Immobilie? Diese Frage stellen sich viele Hausbesitzer und Käufer. Ein Immobiliengutachten (auch Wertgutachten genannt) ermittelt den Marktwert einer Immobilie… Read More

Immobiliengutachten – Wann braucht man eins?

Brauche ich ein Gutachten für meine Immobilie? Diese Frage stellen sich viele Hausbesitzer und Käufer. Ein Immobiliengutachten (auch Wertgutachten genannt) ermittelt den Marktwert einer Immobilie durch einen unabhängigen Sachverständigen. Doch wann ist so etwas wirklich notwendig oder sinnvoll? 

In diesem Artikel beleuchten wir typische Situationen, in denen ein Gutachten für ein Haus sinnvoll ist, und beantworten, wann ein Wertgutachten eventuell sogar gesetzlich vorgeschrieben ist. Dabei richten wir uns an Privatpersonen und erklären in verständlicher formeller Weise, welchen Nutzen ein qualifiziertes Gutachten beim Hauskauf, Hausverkauf, Erbe, Scheidung, Finanzierung, Versicherungsschaden oder vor Gericht bietet.

Immobiliengutachten: Wann ist es sinnvoll oder erforderlich?

Ein Immobiliengutachten dient dazu, den Verkehrswert (Marktwert) einer Immobilie objektiv festzustellen. Grundsätzlich ist ein Gutachten nicht für jede Immobilientransaktion verpflichtend, kann aber in vielen Fällen dringend empfohlen werden. Gesetzlich vorgeschrieben ist ein Verkehrswertgutachten nur in besonderen Situationen, etwa bei Zwangsversteigerungen oder wenn ein gerichtlich bestellter Betreuer eine Immobilie verkauft. In vielen anderen Situationen, beispielsweise bei Erbschaften, Scheidungen oder steuerlichen Fragen, besteht zwar keine automatische Pflicht zur Gutachtenerstellung, doch ein solches kann helfen, rechtliche oder finanzielle Nachteile zu vermeiden.

Verkehrswert vs. Marktwert – Gibt es einen Unterschied? Erfahren Sie mehr in unserem Artikel!

Gutachter beim Hauskauf: Wann ist dies sinnvoll?

Der Kauf eines Hauses ist für Privatpersonen meist die größte Investition im Leben. Entsprechend wichtig ist es, nicht zu viel zu bezahlen und keine versteckten Mängel zu übersehen. Ein unabhängiger Gutachter beim Hauskauf ist zwar nicht gesetzlich vorgeschrieben, aber in vielen Fällen sehr sinnvoll, um den tatsächlichen Wert der Immobilie zu prüfen. So schützt ein Gutachten vor Überzahlung und dient als objektive Grundlage für Preisverhandlungen. Gerade in heiß umkämpften Immobilienmärkten werden Objekte häufig überteuert angeboten. Ein Sachverständiger kann anhand von Vergleichswerten, Bausubstanz und Lage beurteilen, ob der Kaufpreis angemessen ist. Dies verschafft dem Käufer Sicherheit und kann helfen, einen zu hohen Preis erfolgreich nachzuverhandeln.

In diesem Video erklärt ein Immobilienmakler, in welchen Fällen ein Gutachter beim Hauskauf empfehlenswert ist und worauf man achten sollte.

Beim Verkauf eines Hauses steht die Ermittlung des Verkaufspreises im Vordergrund. Ein Wertgutachten liefert dem Eigentümer eine realistische Einschätzung des Marktwerts und gibt potenziellen Käufern Vertrauen in den aufgerufenen Preis. Damit lassen sich unnötig lange Verkaufszeiten oder finanzielle Verluste vermeiden. Insbesondere die richtige Preisfindung ist entscheidend: Setzt man den Angebotspreis zu hoch an, drohen wenige Interessenten und am Ende oft ein niedrigerer Verkaufserlös. Eine Studie der Kreissparkasse Köln (über 1.000 Verkaufsfälle) ergab, dass bei einem zu hoch angesetzten Startpreis (20 % über Marktwert) letztlich der Verkaufspreis im Schnitt 15 % unter dem tatsächlichen Marktwert lag; selbst bei 10 % Überpreisung lag der Erlös noch durchschnittlich 3 % unter Marktwert. Ein Gutachter hilft Ihnen, solche Fehler zu vermeiden, indem er den Marktwert objektiv ermittelt. So erzielen Sie einen fairen Preis und verkaufen Ihre Immobilie in angemessener Zeit
Dieses Video zeigt, wie ein Gutachter bei der Wertermittlung hilft und ob sich die Kosten für ein Wertgutachten beim Hausverkauf lohnen.

Erbschaft oder Schenkung: Gutachten für Steuer und Aufteilung

Bei Erbschaft einer Immobilie oder bei Schenkung stellen sich gleich mehrere Fragen: Wie hoch ist der Wert für die Erbschaftssteuer? Wie wird gerecht unter Erben verteilt? Viele Erben fragen: Ist ein Gutachten Pflicht bei einer Erbschaft?
Gesetzlich vorgeschrieben ist ein Immobiliengutachten im Erbfall nicht automatisch. Allerdings kann es äußerst sinnvoll sein, ein qualifiziertes Wertgutachten einzuholen. Das Finanzamt ermittelt den Immobilienwert für die Steuer nämlich nach standardisierten Verfahren (Bewertungsgesetz). Durch eine Reform Anfang 2023 fallen diese amtlichen Bewertungen häufig höher aus als der tatsächliche Marktwert. Erscheint der vom Finanzamt festgesetzte Wert einer Immobilie zu hoch, haben Erben die Möglichkeit, durch ein Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen einen niedrigeren Verkehrswert nachzuweisen. Ein solches Gutachten kann dazu beitragen, den vom Finanzamt angesetzten Wert zu korrigieren und dadurch die Erbschaftsteuer zu senken.

Gleiches gilt bei Schenkungen: Auch hier dient das Gutachten als Beleg für den tatsächlichen Marktwert der Immobilie und unterstützt so eine gerechte steuerliche Bewertung. Darüber hinaus kann ein Gutachten innerhalb einer Erbengemeinschaft helfen, den Nachlass fair aufzuteilen und Streitigkeiten über den Wert der Immobilie zu vermeiden. Immerhin enthält in Deutschland statistisch fast jede zweite Erbschaft (46 % der Fälle) eine Immobilie (häufig ein Haus oder eine Eigentumswohnung). Bei so hohen Vermögenswerten lohnt sich die Investition in eine professionelle Bewertung.

Scheidung und Immobilienbewertung: Gerichtsfeste Gutachten

Wenn Ehepaare sich scheiden lassen und Immobilienvermögen vorhanden sind, stellt sich die Frage nach dem Wert des gemeinsamen Hauses oder der Wohnung. Lässt sich eine einvernehmliche Lösung finden, kann der Immobilienwert durch eine Schätzung oder die Einschätzung eines Maklers ermittelt werden. In der Praxis gehen die Vorstellungen der Beteiligten jedoch oft auseinander, etwa wenn eine Partei den Wert absichtlich zu niedrig ansetzen möchte, um geringere Ausgleichszahlungen leisten zu müssen.

Kommt es zum Streit, ist ein gerichtsfestes Immobiliengutachten unverzichtbar. In solchen Fällen beauftragt das Familiengericht in der Regel einen vereidigten Sachverständigen, der den Verkehrswert objektiv bestimmt. Ein unabhängiges Gutachten wird dann faktisch zur Voraussetzung, da nur ein neutrales Gerichtsgutachten eine faire Grundlage für die Vermögensaufteilung bietet. Selbst im Vorfeld einer Scheidung kann es sinnvoll sein, gemeinschaftlich einen Gutachter zu beauftragen, um Streitigkeiten vorzubeugen und eine einvernehmliche Lösung zu finden. Eine Immobilienbewertung bei Scheidung durch einen Sachverständigen stellt sicher, dass keiner der Beteiligten übervorteilt wird und der Wert des Hauses realistisch angesetzt wird. Die Kosten für ein professionelles Gutachten (oft ca. 0,5–1,5 % des Immobilienwertes) mögen hoch erscheinen, doch bei hohen Vermögenswerten sind diese gut investiert, um langwierige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.

Bankfinanzierung: Gutachten für den Beleihungswert

Wer eine Immobilienfinanzierung bei der Bank aufnimmt, wird ebenfalls mit dem Thema Gutachten in Berührung kommen. Banken vergeben Kredite für Immobilien in der Regel nur bis zu einer bestimmten Beleihungsgrenze und lassen den Beleihungswert ermitteln. Der Beleihungswert ist der Wert, den die Bank der Immobilie als Sicherheit beimisst (meist etwas unter dem Marktwert). Dazu beauftragt die Bank häufig eigene Gutachter oder Partnerunternehmen. Privatpersonen müssen in diesem Fall kein eigenes Gutachten in Auftrag geben, denn die Bank übernimmt dies, da sie den Wert als Kreditabsicherung benötigt. Dennoch kann es hilfreich sein, als Käufer den Wert zu kennen: Sollte die Bankfinanzierung Schwierigkeiten machen, liegt es mitunter daran, dass der Kaufpreis deutlich über dem Beleihungswert liegt. Dann ist Vorsicht geboten. Holen Sie im Zweifel ein eigenes Gutachten ein, bevor Sie überteuert kaufen. So vermeiden Sie, dass die Finanzierung platzt oder Sie zu viel Eigenkapital einbringen müssen. Für die Bank selbst ist ein Gutachten im Finanzierungsprozess quasi Pflicht, um sicherzustellen, dass die Immobilie nicht über Wert beliehen wird.

Versicherungsschaden: Gutachten bei Feuer, Wasser & Co.

Nach einem Versicherungsschaden stellt sich die Frage, wie hoch der Schaden am Haus ist. Versicherungen schicken bei größeren Schäden in der Regel eigene Sachverständige, um die Schadenshöhe und die Kosten der Instandsetzung zu ermitteln. Auch als Versicherungsnehmer kann man im Zweifelsfall einen unabhängigen Gutachter hinzuziehen, etwa wenn die Versicherungssumme strittig ist. Hier beziffert ein Immobiliengutachten den Wiederbeschaffungswert bzw. die Reparaturkosten, sodass man eine Grundlage für die Versicherungsleistung hat. Zudem ist ein Wertgutachten nützlich, um den richtigen Versicherungsbeitrag festzulegen und Unter- oder Überversicherung zu vermeiden. Beispiel: Wer sein Haus viele Jahre nicht neu bewerten lässt, riskiert im Schadensfall unterversichert zu sein, weil der Immobilienwert gestiegen ist. Umgekehrt zahlt man bei zu hoch angesetzten Wert unnötig hohe Prämien. Ein qualifiziertes Gutachten schafft hier Klarheit und Sicherheit.

Gerichtliche Verfahren und Gerichtsgutachten

In manchen Fällen wird ein Immobiliengutachten im Rahmen anderer gerichtlicher Verfahren erforderlich. Ein klassisches Beispiel ist die bereits erwähnte Scheidung mit Vermögensaufteilung. Weitere Fälle sind etwa Erbauseinandersetzungen oder Nachbarschaftsstreitigkeiten (z.B. über Baumängel oder Eingriffe, bei denen die Wertminderung einer Immobilie begutachtet werden muss). In solchen Rechtsstreitigkeiten kann das Gericht ein Gutachten anordnen, um eine neutrale Entscheidungsgrundlage zu erlangen. Ebenso ist bei einer Zwangsversteigerung ein Verkehrswertgutachten sogar gesetzlich vorgeschrieben. Das Vollstreckungsgericht lässt immer ein Gutachten erstellen, um den Verkehrswert festzusetzen. Dieser amtlich festgelegte Wert dient dann als Richtgröße für Gebote; Gebote unter 50 % bzw. 70 % des Werts können in der ersten Versteigerungsrunde zurückgewiesen werden, um zu verhindern, dass die Immobilie unter Wert versteigert wird. Auch beim Verkauf durch einen Betreuer oder Vormund schreibt das Gesetz oft ein Gutachten bzw. eine gerichtliche Genehmigung vor. Gerichtsgutachten kommen immer dann ins Spiel, wenn ein neutraler, gerichtsfester Nachweis des Immobilienwerts gebraucht wird. In solchen Fällen führt kein Weg an einem vereidigten Sachverständigen vorbei.

AUF EINEN BLICK

AnlassErforderlichkeit des GutachtensNutzen
Hauskaufnicht verpflichtend, aber empfohlenkürzere Verkaufszeit und Schutz vor Überzahlung
Hausverkaufnicht verpflichtend, aber empfohlenobjektive und faire Ermittlung des Preises
Erbschaft/Schenkungnicht immer verpflichtend, aber empfohlenErmittlung echter Marktwert, gerechte Aufteilung und faire Besteuerung
Scheidungbei Uneinigkeiten faktisch Pflichtschafft faire Vermögensaufteilung 
Bankfinanzierungfür die Bank PflichtSchutz vor Überzahlung, Absicherung
Versicherungsschadenin der Regel auf Seite der Versicherung vorhandenGrundlage der Versicherungsleistung und Festlegung des Versicherungsbeitrags
Gerichtliche Verfahrenteilweise verpflichtend vorgeschriebenGrundlage zur Klärung von Rechtsstreitigkeiten

Fazit: Wann brauche ich ein Gutachten und was bringt es?

Die Antwort hängt vom Anlass ab. Gesetzlich vorgeschrieben ist ein Immobiliengutachten nur in Ausnahmefällen (z.B. Zwangsversteigerung, gerichtlicher Betreuer). Empfehlenswert ist ein Gutachten jedoch in vielen Situationen mit hohen finanziellen Werten oder Streitpotenzial: Beim Hauskauf schützt es vor Überzahlung und bösen Überraschungen. Beim Hausverkauf hilft es, einen realistischen Verkaufspreis zu ermitteln und unnötige Verluste zu vermeiden. Bei Erbschaft oder Schenkung kann ein Wertgutachten die Steuerlast senken und den Familienfrieden wahren. In einer Scheidung oder Erbauseinandersetzung sorgt ein gerichtsfestes Gutachten für Gerechtigkeit. Die Bankfinanzierung erfordert zur Bestimmung des Beleihungswerts in der Regel ein Gutachten, welches meist durch die Bank selbst initiiert wird. Und nach Versicherungsschäden stellen Gutachten sicher, dass Schäden korrekt beziffert werden.

Ein qualifiziertes Immobiliengutachten bietet somit Sicherheit und Transparenz in verschiedensten Situationen. Gerade bei hohen Vermögenswerten oder Streitfällen lohnt es sich, einen unabhängigen Gutachter einzuschalten. Die Kosten dafür (häufig einige hundert bis wenige tausend Euro, je nach Umfang) stehen meist in keinem Verhältnis zu dem Nutzen, den ein Gutachten stiftet, wie beispielsweise die Vermeidung von finanziellen Nachteilen, die Beschleunigung von Verkaufsprozessen oder die Schaffung von Klarheit in rechtlichen Auseinandersetzungen.